Reisepause in der Heimat und der Plan vom Überwintern in der Sonne

Nach meiner Rückkehr aus dem Baltikum durch Polen und das Erzgebirge verbringe ich eine Reisepause in meiner Heimat in Deutschland. Ich treffe Familie und Freunde sowie Vorkehrungen für den zweiten Teil meines Sabbaticals.

Home sweet home

Daheim fahre ich seit langem mal wieder in meinem PKW. Ich komme mir vor wie eine Kleinwüchsige in einem Elektro-Sportwagen. Vom tiefliegenden Sitz kann ich kaum auf die Straße blicken, die Außenspiegel erscheinen mir so winzig und ich höre – nichts: keinen Motor und kein Klappern. Ein völlig ungewohntes Fahrgefühl, an das ich mich allerdings wieder schnell gewöhne.

Eine Fahrt führt mich ins schwedische Möbelhaus und ich pimpe meinen Wohnraum mit farblich passendem Tischläufer und kuscheligem Teppichboden für die kalten Wintertage.

Auch funktionell stehen ein paar Anschaffungen fürs WoMo an. Ab sofort reisen je ein Füll- und Entnahme-Set für die unterschiedlichen Gasanschlüsse in Europa mit. Schließlich möchte ich mich nicht auf mein Glück verlassen, daß mir jemand beim Befüllen meiner Gasflaschen behilflich ist. Außerdem habe ich mir einen Abwasserschlauch fürs Grauwasser gebastelt: an manchen Entsorgungsstationen ist der Gulli gerade mal so groß wie eine Bratpfanne. Ich benötige eine Ewigkeit fürs Rangieren, bis ich mit meinem Abwasserrohr darüber zum Stehen (und Ablassen) komme.

Apropos Abwasser: Ich leere Frostschutzmittel (bis minus 60 Grad) durch die Abflüsse und stelle damit sicher, daß mir bei einem Kälteeinbruch das Abwasser nicht gefriert und den Tank beschädigt. Theoretisch könnte ich jetzt in der Arktis überwintern.

Mein Fernweh steigert sich und das Warten auf die Winterreifen zieht sich. Über Facebook werde ich auf „Funny Sketchnotes“ von Simone Abelmann (unbezahlte Werbung) aufmerksam. Sie bringt meinen Glaubenssatz „Ich kann nicht zeichnen“ gehörig ins Wanken und ich entdecke, wie cool das digitale Zeichnen auf einem Tablet sein kann.

Auf der Suche nach in mir schlummernden Talenten habe ich mich im digitalen Zeichnen versucht.
Was meinst Du dazu?

Nun auch geistig kreativ angereichert bin ich reif für Phase 2 meines Sabbatical-Abenteuers. Wohnmobil- und wintertechnisch halte ich mich für bestens ausgerüstet und fühle mich als „Camping-Cleverle“. Dieses Hochgefühl legt sich just in dem Moment, als ich vor meiner Haustür frisches Wasser in den Tank vom WoMo füllen möchte und meine Wasserpumpe dieses Wasser einfach in die Hofeinfahrt sprudelt. Irgendetwas ist nicht dicht. Verflixt nochmal, was genau hat mir mein Händler im Mai bei der Übergabe erklärt? Zwangsentleerung bei weniger als 4 Grad Außentemperatur, danach müsse ich vor dem Befüllen einen Hebel umlegen. Verzweifelt rufe ich beim Händler an und gerate an die verständnisvolle Senior-Chefin. Obwohl ich ihn mangels Auffindbarkeit leugne, beharrt sie darauf, daß es irgendwo in den Tiefen unter meiner Sitzbank neben diesem Hebel auch noch einen blauen Schalter gäbe, den ich drücken müsse. Ich bin aufgeregt – draußen sprudelt munter mein Frischwasser – und sie ist seeeehhhhrr geduldig: „Doch, an der Stirnseite ist ein blauer Schalter“, „Ja, der muß da sein“ und nach ein paar Mal tief Ein- und Ausatmen stimme ich zu – der blaue Schalter ist wirklich da, er klickt, das Wasser bleibt, wo es hingehört und und mein Puls verlangsamt sich wieder.

Ich tätige noch ein paar Hamsterkäufe für die Dinge des täglichen Lebens, von denen ich heute schon weiß, daß ich sie die nächsten Monate vermissen werde: Spätzle, Linsen, Schupfnudeln, Vollkornbrot und Weihnachtsstollen – für den Fall, daß ich kulinarisches Heimweh bekomme…

Ab in den Süden

Am 11.12.2020 um 12 Uhr verfolge ich die Pressekonferenz meiner Landesregierung im TV, um 17 Uhr habe ich fertig gepackt und fahre los, sieben Stunden vor Beginn der Ausgangssperre in Baden-Württemberg. Bis dahin habe ich längst die Grenze zu Frankreich überquert und bedaure, daß ich all die lohnenswerten Sehenswürdigkeiten, die mir angepriesen werden, links liegen lassen muß. Es ist dunkel und es regnet in Strömen. Derweil versuche ich im französischen Radio einer Reportage über Polyamorie zu folgen. Mein Interesse ist groß, umso größer meine Enttäuschung darüber, wie wenig ich trotz meines 6-monatigen Studiums in Nizza von der französischen Unterhaltung verstehe.

Nach einer kurzen Schlafpause südlich von Lyon reise ich am nächsten Tag unbehelligt nach Spanien ein. Ein Coronatest ist bei Einreise auf dem Landweg nicht erforderlich und auch auf Quarantäne wird verzichtet.

Auf der Stadtautobahn um Barcelona fährt ein Pkw mit spanischem Kennzeichen auf derselben Höhe mit mir, der Beifahrer zeigt wild gestikulierend auf mein WoMo und bedeutet mir, ich solle rechts auf die Standspur fahren. Eine halbe Minute lang denke ich darüber nach, WAS an meinem WoMo nicht stimmen könnte. Mir ist es schon zweimal passiert, daß ich nach dem Tanken die Klappe vergessen hatte zu schließen, aber das rechtfertigt kein Halten mitten auf einer stark befahrenen Autobahn. Das spanische Auto fährt vor mir rechts rüber und hält an. Ich entscheide schnell und fahre einfach weiter – nur um an der nächsten Raststelle in aller Ruhe nach dem Rechten zu sehen. NATÜRLICH war alles in Ordnung: Das Fahrrad ordnungsgemäß verzurrt, alle Klappen geschlossen.

Verpackt, verschnürt und gesichert – es gibt keinen Grund, mich auf den Standstreifen zu locken, Ihr Trickbetrüger!

1.500 Kilometer südwestlich von Stuttgart gebe ich im spanischen Restaurant mit dem Namen „Spätzle Fritz“ (unbezahlte Werbung) inmitten anderer deutscher Camper meine Geschichte zum Besten und werde bestätigt: Diese Masche gibt es schon lange und scheint immer noch zu funktionieren. Einheimische Betrüger bringen arglose Touristen zum Anhalten, locken die besorgten Insassen raus und währenddessen klaut der Kumpan alles aus dem Auto, was er in der Schnelle greifen kann. Die erste Herausforderung des neuen Reiseabschnitts habe ich mit Bravour gemeistert: ich bin den Trickbetrügern nicht auf den Leim gegangen!

Mit dem ersten Restaurantbesuch seit 6 Wochen feiere ich, daß ich mit all meinen Habseligkeiten in Spanien angekommen bin.

Hauptsache Winterreifen

Mit einem bestens für den Winter ausgestatteten Wohnmobil reise ich durch das knapp 20 Grad warme Spanien. Camping- und Stellplätze haben geöffnet und sind im Vergleich zu den Vorjahren wenig ausgelastet, Reservierungen sind nicht nötig, ich werde überall freundlich aufgenommen und nutze jede Gelegenheit, meine Spanisch-Kenntnisse in Konversationen mit den Einheimischen aufzufrischen.

Die Maskenpflicht gilt überall, nicht nur in den Innenräumen, auch beim Spazierengehen oder Fahrradfahren wird Maske getragen, da die Policía z.B. auf den Promenaden deren Einhaltung konsequent kontrolliert. Gastronomiebetriebe dürfen öffnen, in den Küstenstädten sind viele Cafés und Restaurants geschlossen. Die überwinterungswilligen Nord- und Mitteleuropäer, die sonst reichlich Geld in die Winterkasse spülen, werden schmerzlich vermisst.

Auch wenn die Einreise nach Spanien erlaubt ist, so sind zahlreiche sehenswerte Städte für touristische Interessen gesperrt. So gern ich die maurischen Prachtbauten, exotischen Märkte und beliebten Plätze in Murcia, València, Sevilla, Granada, Córoba, Cádiz, Ronda usw. mit eigenen Augen sehen möchte, richte ich mich darauf ein, daß ich in den nächsten Monaten vornehmlich Berge, Meer, Sand und Palmen an einsamen Stränden meinen Aufenthalt bestimmen werden. Die touristischen Highlights werden die Corona-Krise überstehen und auf mich warten – vielleicht noch in diesem Sabbatical, vielleicht erst im nächsten.

Abstand halten ist auf den spanischen Campingplätzen in diesem Winter problemlos möglich.

Leider fällt Málaga in der Vorweihnachtszeit genauso ins Wasser wie das ursprünglich geplante Übersetzen nach Marokko, allerdings trösten mich die köstlichen Leckereien der spanischen Weihnachtsbäckerei darüber hinweg.

Frohe Weihnachten

2020 war ein besonderes Jahr und vieles, was Du und ich geplant und wir uns gewünscht oder vorgenommen hatten, ist anders verlaufen. Dieses Weihnachten wird uns als „außergewöhnlich“ in Erinnerung bleiben und ich hoffe, wir können in einigen Monaten gemeinsam auf eine besinnliche Zeit zurückblicken und wertschätzen, wie wichtig der persönliche Kontakt ist und mit welchen Personen wir auch in dieser kritischen Lebensphase eng verbunden sind.

Weihnachtsgruß mit Motiven aus meiner ersten Sabbatical-Phase.

Ich wünsche Dir frohe Weihnachten, erholsame Feiertage mit einem Rückblick auf das, was Dir wichtig erscheint und daß es Dir gelingt, das für Dich Wertvolle ins Jahr 2021 mitzunehmen. Ich danke Dir, daß Du mich auf meinem Mutausbruch begleitest und freue mich, von Dir zu lesen oder zu hören.

22 Kommentare

  1. Liebe Uli!
    Wundervoll wie Du Dein Sabbatical in vollen Zügen und in ultimativer Freiheit geniesst. Weiter so! Bleib gesund und sicher auf Deinen Reisen. Herzliche Weihnachtsgrüße, Linda

    1. Liebe Ulrike,
      Ein toller Bericht! Beim Lesen habe ich an einigen Stellen schwer geschmunzelt. 🙂
      Ganz liebe Grüße in den Süden an Dich , genieße Deine Zeit.
      Liebe Grüße aus Ditzingen
      Tina

      1. Liebe Tina,
        es freut mich, daß ich Dich zum Schmunzeln bringen konnte – das war genau meine Absicht.
        Liebe Grüße vom Mittelmeer an die ganze Familie
        Ulrike

    2. Liebe Linda,
      Danke Dir, ich bin froh, daß die Reise zumindest in Teilen trotz aller Widrigkeiten möglich ist.
      Schöne Grüße nach Berlin
      Uli

  2. Kompliment für diesen sehr informativen Bericht, den ich mit großem Interesse gelesen habe. Bleibe weiter sehr vorsichtig. Hast Du auch einen Gasmelder im WOMO? Ist nicht teuer. Weiterhin viel Spass und nur freudige Erlebnisse. DEIN PAPA.

    1. Hallo Papa,
      klar, habe ich einen Gasmelder: Butan, Propan und KO-Gas. Neulich ist er sogar beim Kochen angesprungen und hat sich gemeldet, daß zu wenig Sauerstoff im WoMo ist. Ich bin demnach sicher unterwegs.
      Schöne Grüße nach Hause
      Ulrike

  3. Liebe Uli,
    So schön, dass Du wieder losgefahren bist! Ich freue mich immer über Deine Berichte und wunderschönen Bilder. Ich wünsche Dir eine tolle Zeit, frohe Weihnachten und bleib gesund!
    Liebe Grüße, Geli

    1. Liebe Geli,
      oh ja, ich bin so froh, daß ich losgefahren und rechtzeitig losgekommen bin. Es ist alles etwas anders als geplant, aber ich mache das Beste draus. Schön, daß Dir meine Bilder gefallen.
      Liebe Grüße
      Uli

  4. Liebe Uli,
    Es war schön Dich wenigstens auf der virtuellen Weihnachtsfeier gesehen und gesprochen zu haben. Alles Gute weiterhin für Dich. Bis bald

    1. Grüezi Ralf,
      wer hätte gedacht, was heute alles online möglich ist? So hatten wir die Gelegenheit, uns trotz meiner Abwesenheit zu sehen und zu sprechen. Ich sende Dir liebe Grüße in die Schweiz, komm gut ins neue Jahr und bis bald,
      Uli

  5. Du bist eine unglaubliche, mutige Frau, ich bewundere dich! Wieder ein toller Bericht von dir! Bleib gesund und pass auf dich auf. Ich freue mich, wieder von dir zu Lesen. Die Zeichenfunktion auf meinem neuen Tablet, habe ich gestern gerade entdeckt. Jetzt, wo ich deine Zeichnungen gesehen habe, muss ich es ausprobieren. Alles Gute, für ein entspanntes Weihnachtsfest im Süden unter spannende Erlebnisse! LG Viola

    1. Liebe Viola,
      das ist ja schön, daß ich Dich inspirieren konnte und ich bin gespannt, was Du alles mit Hilfe Deines Tablets zeichnen wirst. Weihnachten in Spanien war entspannt und ich war nicht allein – ein paar überwinterungsfreudige Deutsche haben mein Camperleben gekreuzt und wir treffen uns regelmässig auf vorher verabredeten Stellplätzen. Im Baltikum war ich einsamer unterwegs.
      Schöne Grüße und guten Rusch
      Ulrike

    1. Lieber Udo,
      ja schön, freut mich, wenn es Dich auch meine Schreibkünste fesseln. Dafür nehme ich mir mehr Zeit als beim Reden, aber dafür bleibt das geschriebene Word auch länger.
      Liebe Grüße und bis bald
      Uli

  6. Liebe Uli, sehr schön geschrieben. Ich hab mich ja schon gefragt, warum du ausgerechnet jetzt wieder losgefahren bist und ob das überhaupt geht … rein von den Vorschriften, aber du beschreibst die Umstände gut und da es ja anscheinend möglich ist … warum dann nicht. Passiert vielleicht weniger als in Deutschland. Ich wünsche dir weiterhin eine tolle Reise und dass du behütet und gesund bleibst. Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr wünscht dir Steffi aus Karlsruhe

    1. Liebe Steffi,
      das ist schön, daß Du Dich meldest. Die Frage nach dem WARUM hat sich mir nicht gestellt, nur das WANN und WOHIN. Mein Plan war ursprünglich Marokko, aber da ich so wenig von Spanien kenne (und mein Spanisch bisher unterirdisch war) habe ich eine gute Entscheidung getroffen. Die Gesichtsbräune wird mit Sonnenbrille und Maske nicht ganz so perfekt, aber wer will bei der Sonne meckern? Ich keinesfalls.
      Liebe Grüße nach Karlsruhe und guten Rutsch
      Uli

  7. Liebe Uli,
    gesegnete Weihnachten in der Fremde!
    Wie schön, dass Du trotz Pandemie so viel erleben konntest…
    Maike Winnemuths Buch hat mich auch sehr begeistert.
    Herzliche Grüße aus Eschborn
    Barbara & Martin

    1. Liebe Barbara,
      vielen Dank für Deine Weihnachtswünsche.
      Ich bin sehr froh darüber, daß Reisen – wenn auch in stark eingeschränktem Maße – möglich ist. Kaum auszudenken, wenn ich eine derartige Weltreise mit zahlreichen Flügen geplant hätte – das wäre unter Corona-Bedingungen nicht machbar gewesen. Da hat mir der liebe Gott mit dem Wohnmobil schon die richtige Eingebung gegeben: mehr Abstand geht nicht.
      Danke, daß Du mich auf meiner Reise begleitest!
      Liebe Grüße auch an Martin und habe ein schönes Silvester
      Uli

  8. Liebe Uli , ich wünsche Dir auch ein frohes Weihnachtsfest und dass Du das Dir Wertvolle in 2021 weiter wertschätzen und genießen kannst.
    Ja, Mut hast Du. Wenn ich Deine Texte lese, freut es mich, dass Du zudem noch von der schwäbischen Cleverness profitieren kannst… Bleib weiterhin vorsichtig. Ich wünsche Dir tolle bereichernde Erlebnisse in Phase 2 Deiner Reise , Gesundheit und Freude an allem, was kommt! Liebe Grüße aus München. Lola

    1. Liebe Lola,
      da sagst Du was: schwäbische Cleverness ist nie verkehrt!
      Ich bin so happy, daß es eine 2. Phase gibt. Es war schön, zwischendurch ein paar Wochen zu Hause zu sein, aber dann war gut. Allein die Sonne auf der Haut zu spüren, durch die Wüste zu wandern oder aufs Meer zu blicken tut mir gut und ich bin dankbar, daß Reisen zumindest in diesem Maß möglich ist.
      Habt ein schönes Silvester und kommt gut ins neue Jahr – bis bald!
      Uli

  9. Hallo Uli,
    schöne Seite und toll, dass du das Vanlifing lebst 🙂
    Wir sind seid 4 Monaten in Andalusien und können deine Berichte nur bestätigen!
    Wollte dir nur bei der Geschichte mit dem Auto bei Barcelona, die dich zum Anhalten veranlassen wollten, warnen: NIE ANHALTEN. Das sind meistens Gangs, die dich ausrauben wollen. Dieser Trick ist nicht unbekannt – deshalb immer Augen offen halten!
    GlG aus Gorafe
    Klaus

    1. Hallo Klaus,
      Danke fürs Bestätigen – ich werde weiterhin wachsam sein und alle Deckel vor dem Losfahren schließen. Wobei ich immer mal wieder anhalten muß, weil ich eine Schublade innen nicht verriegelt habe. Das merke ich erst in den zahlreichen Kreisverkehren – da geht die Schublade auf und ich halte freiwillig an, um sie wieder zu verschließen. Wieviele Jahre Campingerfahrung braucht es, bis mir das nicht mehr passiert?
      Schöne Grüße – derzeit von der Costa de la Luz
      Uli

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert