Die Sabbatical-Wochen in Polen: Mein persönlicher Rückblick

Zwei Tage nach Grenzöffung habe ich die deutsch-polnische Grenze überquert. Sogar mehrmals, wenn ich meinen Fahrradausflug von Swinemünde nach Ahlbeck dazu zähle. Mehrere Wochen lang habe ich die polnische Ostseeküste und Teile der Masurischen Seenplatte bereist und ziehe ein Resümée über meinen Aufenthalt und unser Nachbarland.

Polen öffnet seine Grenzen – für mich genau zum passenden Zeitpunkt.

Bremsen bei Standgas

Alles, was ich über die polnischen Straßenverhältnisse gelesen habe, stimmt. Meine Stoßdämpfer werden täglich einer Belastungsprobe unterzogen. In einem Blog habe ich gelesen, ich solle die Straßen mit 3 Zahlen (also kleine Nebenstraßen) meiden. Je länger die Zahl, desto schlechter der Zustand. In der Ortschaft Dabki hatte ich die Wahl, entweder über eine Brücke mit 2,50 Meter Breite zu fahren (mein WoMo ist 2,39 Meter breit) oder umzudrehen und durch die bevölkerte Touristenmeile wieder zurückzufahren oder drittens, in meiner Naivität dem Vorschlag von GoogleMaps zu folgen.

Ich entscheide mich mangels Ortskenntnisse ziemlich oft für GoogleMaps. Anfangs war die Straße noch geschottert, dann fehlte der Kies und irgendwann fand ich mich mit 10 km/h auf einem Weg aus geriffelten Erdklumpen wieder. Der Weg war so uneben, daß ich die Flaschen in meiner Getränkeschublade hüpfen hören konnte. Bis ich kapierte, daß das jetzt kilometerweit so weitergehen würde, war es fürs Umdrehen zu spät. Drei Jungs auf Fahrräder machten sich einen Spaß daraus, mich johlend zu überholen und ich ruckelte 5 Kilometer auf dieser Piste entlang. Gasgeben war nicht nötig, Standgas reichte völlig. Schweißgebadet und durchgerüttelt schwor ich mir, das präzise Fahren durch enge Brückchen bei der nächsten Gelegenheit in Kauf zu nehmen.

Eng wird es nicht nur in der Breite: Einen kurzen Adrenalinstoß hatte ich bei der Fahrt unter einer Eisenbahnbrücke hindurch. Mit meinen 2,95 Meter Höhe passe ich locker durch die gekennzeichnete Höhenbegrenzung von 3,10 Meter. Prima! Aber da war noch was? Was will mir mein Unterbewußtsein sagen? Ach ja, Du hast eine Satellitenanlage auf dem Dach, weißt Du, wieviele Zentimeter das zusätzlich sind? Ich weiß es zwar immer noch nicht, aber 3,10 Meter packt es noch.

Neben der Höhenbegrenzung gibt es ja auch noch Gewichtseinschränkungen. Beim Gasflaschentausch in Olsztyn (Allenstein) wollte ich bei OBI auf den Parkplatz fahren in der Annahme, auch in Polen könne ich mal eben eine Gasflasche im Baumarkt tauschen (Spoiler: das geht nicht). Da steht doch glatt ein Schild, daß die Einfahrt auf 2,5 Tonnen begrenzt ist. Mein WoMo allein wiegt ca. 3 Tonnen (Gepäck, Wasser und mich nicht eingerechnet). Ein mulmiges Gefühl, etwas Illegales zu tun hatte ich schon, als ich dem LKW (7,5 Tonnen und polnisches Kennzeichen) auf diesen Parkplatz folgte.

Was mich auf polnischen Straßen zum Lächeln bringt? Wenn ich mit ca. 50 km/h hochkonzentriert die kurvige Landstraße oder die Hoppelstrecke über 21 km Bodenunebenheiten entlangfahre und dann ein Verkehrsschild kommt, daß ich jetzt wieder schneller als 70 km/h fahren darf. Die Betonung liegt auf „darf“. Mein Wohnmobil fördert das entschleunigte Autofahren. Neulich habe ich eine deutsche Familie gesehen, die hatten „Stauanfang“ hinten auf ihrem Wohnwagen kleben. Ja genau!

Essen, Trinken und sonstige Genußmittel

Ryba Wedzone war so eines der ersten polnischen Worte, die ich gelernt habe. An der Ostsee gibt es gefühlt an jeder Ecke Verkaufsstände mit (geräucherten) Fischen, manchmal wird direkt im eigenen Garten geräuchert und verkauft. Draufzeigen, aus Höflichkeit fragen, welchen Fisch ich da ausgesucht habe (das Wort kennt meine Übersetzungs-App meistens nicht) und schon ist ein Abendessen gesichert.

Geräuchter Fisch in allen Varianten.

Vertraute Supermärkte wie Lidl und Netto gibt es in den größeren Städten. Ganz praktisch, weil ich dort mit dem WoMo parken und den Kühlschrank aus dem Einkaufswagen befüllen kann. Die Polen sind sehr kreativ, was Radler angeht. Ich habe mich schon durchs halbe Sortiment Biermischgetränken mit Wassermelone, Mango, Granatapfel & Acaibeere o.ä. durchgetrunken. Dabei ist alkoholfrei groß im Kommen. Es gibt etliche Radlersorten mit 0,0% und auch auf den Plakatwänden werden diese Getränke beworben.

Kreative Biermixgetränke – fast schon gesunder Lifestyle.

Den ein oder anderen „Fehlkauf“ habe ich auch schon getan. Manchmal greife ich einfach das Produkt, weil es mich anspricht, z.B. ein Joghurt, auf dem ein Käsekuchen mit Rosinen abgebildet war. Wie groß war meine Enttäuschung als ich feststellte, daß es ordinärer Quark war. Oder als ich meinen Gelüsten nach Schokopudding nachgehen wollte und ich flüssigen Kakao vorfand.

Mal ehrlich: Was hättest Du darin erwartet?

Meine größte Überraschung erlebte ich in Sopot in einer Ladenzeile. Da steht ein Automat, wie ich ihn von Bahnhöfen kenne. Nur daß es dort statt Schokoriegel und Getränken alle möglichen Varianten von Rauschmitteln zu kaufen gibt.

Entwarnung: Alle angebotenen Artikel enthalten lediglich CBD, kein THC.

Ansonsten berauschen sich die Polen an Lody (Eis), Gofry (Waffeln) und Kawa (Kaffee). Das gibt es an jeder Ecke und geht immer! Ich gehe einmal pro Woche essen oder dann, wenn mich ein Lokal anspricht und ich neugierig bin. Schließlich möchte ich die landestypischen Spezialitäten kosten.

Parken und Campen

Übers Freistehen habe ich bereits berichtet: http://mutbegleiter.de/das-uebernachten-ausserhalb-von-campingplaetzen-in-polen/. Erstaunlicherweise konnte ich in den Städten der Tri-City jedes Mal kostenlos in guter Lage stehen und ruhig und unbehelligt mehrere Nächte schlafen.

Auf der Halbinsel Hel war ich in Jastarnia 2 Tage auf einem Campingplatz mitten in einem Wohngebiet. Das Ehepaar hat sich gedacht, wir sparen uns das Anlegen eines Gartens, stellen 2 Hütten mit Dusche und WC aufs Grundstück und vermieten die Wiese an Camper. WLAN und Kartenzahlung Fehlanzeige, dafür in 3 Minuten in die eine Richtung am Ostseestrand und in 2 Minuten in die andere Richtung auf der Restaurant- und Touristenmeile.

Ein Camping- oder besser Zeltplatz mitten im Wohngebiet auf der Halbinsel Hel.

Viele Parkplätze an Touristenhotspots weisen Gebühren für Camper aus. Da weiß ich, ich bin nicht nur geduldet, sondern fast schon willkommen. Für 30 pln (ca. 6 Euro) pro Nacht gäbe es oft Zugang zu Toiletten (die Toi-Toiletten in Polen riechen erstaunlich reinlich). Allerdings gibt es immer noch Parkautomaten, die nur polnische Münzen akzeptieren. Das überrascht mich, schließlich kann ich jedes Eis und jedes Pfund Erdbeeren am Straßenrand mit Karte zahlen.

Meine Wahl auf ein WoMo mit 6,20 Meter Länge war eine gute Entscheidung. Mit etwas Geschick beim Aussuchen des Parkplatzes und großzügiger Auslegung, was zur Parkfläche dazu gehört, passe ich überall rein.

Mit ausreichend Fläche am WoMo-„Hintern“ passe ich auf jeden PKW-Parkplatz.

Kommunikation und Internet

Mit Bitte, Danke und meiner Fahrradklingel komme ich ganz gut durch. Ich hätte allerdings mit mehr Englischkenntnissen gerechnet und gehofft. Habe ich schon erwähnt, daß diese Übersetzungs-Apps ganz hilfreich sind?

Darf ich jetzt mit dem Fahrrad weiterfahren oder nicht?

An der Weichselmündung kam ich mit Malgorzata aus Elbling (ihr Auto hatte ein Hamburger Kennzeichen) ins Gespräch. Sie zeigt ihrem deutschen Freund ihre Heimat und konnte mir gleich ein paar Tipps für ihre Heimatstadt und die Masuren in mein Büchlein schreiben. Sie erklärte mir, ich müsse die Bootsfahrt über die Berge machen (ich muß wohl sehr zweifelnd geschaut haben). Aber ja, sie hatte Recht – diese Technik ist einzigartig in Europa und die Bootstour sehr zu empfehlen.

Über 5 Rollberge überwinden die Wasserfahrzeuge einen Höhenunterschied von 100 Metern entlang des Kanals.

Ohne Internet wäre die Reise lang nicht so einfach. Wie sind wir früher ohne Karten- oder Übersetzung-App gereist? Bestimmt nicht so komfortabel. Und was wäre, wenn es kein Datenroaming in der EU gäbe? Das wird mir im Grenzgebiet zu Russland schmerzlich bewußt. Als schwäbisches Käpsele habe ich die automatische Netzauswahl sofort abgestellt, aber woher weiß ich, welches der angebotenen Netze noch polnisch oder schon russisch ist?

Als ich losgefahren bin, hatte ich einen Billigtarif mit 3 Gigabyte für 9,99€ und der hat mir die letzten Jahre mit WLAN zu Hause und in den Hotels mehr als genügt. Bereits am Saaler Bodden in der freien Natur konnte ich meine Datenrate schmelzen sehen, weswegen ich zu Sim.de gewechselt bin. Die SIM-Karte habe ich mir an den Campingplatz auf Rügen schicken lassen. Jetzt habe ich 7 Gigabyte (für 7,99€). In einigen polnischen Städten gäbe es theoretisch ein frei verfügbares Netz in der Innenstadt (wie weltoffen), praktisch verbindet sich mein Smartphone aber nicht damit. Auch auf den Campingplätzen wird gern mit WiFi geworben, ist aber nur in den seltensten Fällen außerhalb der Rezeption verfügbar und dann eher langsam.

So bin ich froh, daß ich fürs Navigieren, Geocachen, Stellplatzsuchen, Bilder in meinen Blog bei Facebook (da findest Du mehr Infos und Fotos über die Plätze, die ich gesehen habe) hochladen usw. die 7 Gigabyte zur Verfügung habe. Videotelefonate mach ich darüber keine, ich bin allerdings über meine Mobil-Nummer ganz normal erreichbar.

Sand, Gefieder und grüne Lungen

Landschaftlich hat mich der Teil Polens, den ich bisher gesehen habe, begeistert. Die Dünen an der Ostsee sind ein Traum, das Wasser hat karibische Qualitäten, kilometerweit haben sich Störche auf Strommasten niedergelassen, Schwäne verweilen an der Weichselmündung und auch das, was von Menschenhand erschaffen wurde, ist absolut sehenswert.

Der Hortolus Spectabilis: Komm mit mir in die idyllische Gartenanlage mit Labyrinth

Wie geht es weiter?

Seit 3 Tagen bin ich in Litauen und bereits von Landschaft und Leuten verzaubert. Ich bin gepannt und erwartungsvoll, was das Baltikum für mich an Erlebnissen bereit hält. Schön, daß Du mich begleitest!

26 Kommentare

  1. Hallo Ulli, sehr gut geschrieben.
    Bin total begeistert von deinen Erlebnissen. Habe immer noch Respekt vor deinem Mut. Genieße deine weitere Reise. Freu mich schon auf neue Fotos.
    Pass gut auf dich auf
    Glg Hanne

    1. Liebe Hanne,
      Danke für Dein Feedback. Ich freue mich, daß Dich meine Erlebnisse unterhalten, vielleicht reist Du irgendwann auf meiner Route nach. Ich kann mir vorstellen, daß Dir Polen gefallen wird.
      Schöne Grüße
      Uli

    1. Danke, lieber Ralf. Setz Dich in Dein Mobil und komm nach – ich freue mich, über Gesellschaft beim Weinchen trinken.
      LG in die Schweiz,
      Uli

    1. Liebe Nina,
      das ist eine schöne Überraschung, hier mal wieder von Dir zu lesen – ich freue mich, daß Du Anteil an meiner Reise nimmst und ich halte Dich weiter auf dem laufenden.
      Liebe Grüße
      Ulrike

  2. Ich reise in Gedanken mit Dir und freue mich jedesmal l über Deine interessanten Bilder und Berichte. Es eröffnen mir ganz neue Reiseziele für das nächste Jahr. Vielleicht auf Deinen vorgegebenen Wegen. Bleib weiter vorsichtig und genieße diese Zeit. Sie wird Dir unvergessen bleiben.

    1. Jeder Tag ist ein Geschenk also genieße es und halte uns weiter mit deinen tollen Erfahrungen auf dem Laufenden.

      Freu mich immer wieder von Dir zu hören/lesen❤

      1. Liebe Silke,
        das mache ich. Ich bin gespannt, wann wir mit unseren beiden Mobilen nebeneinander auf einem Platz (frei, Stell- oder Campingplatz – mir wurscht) treffen werden.
        Liebe Grüße und Dir allzeit gute Fahrt
        Ulrike

    2. Lieber Papa,
      deshalb halte ich auf Facebook meine wichtigsten Stationen fest, damit Du (oder jeder Polen- und Baltikumsbegeisterte) sich anhand der Route vorbereiten und darauf freuen kann.
      Ich bin schon voller Eindrücke und daran, diese zu verarbeiten.
      Liebe Grüße nach Zuhause
      Ulrike

  3. Liebe Uli, viele sonnige und ❤️ liche Grüße aus dem Schwabenländle! Ich finde es sehr schön wie Du schreibst und Deine Reise hört sich toll an. Weiterhin ganz viele positive Eindrücke und bleib Gesund!
    Freue mich immer über Deine Bilder! LG Željka

    1. Liebe Željka,
      schöne Grüße zurück und habt einen schönen Sommer. Ich bekomme von Dir ja auch immer wieder mit, daß sich auch in diesen wuschigen Zeiten viel Schönes erleben läßt.
      Ganz liebe Grüße – auch an Thomas
      Uli

  4. Liebe Uli, schön dich auf deinem Blog zu begleiten. Das macht Lust auch mal nach Polen zu reisen. Freue mich auf weitere Reisebericht.

    1. Liebe Doris,
      ich kann mir sehr gut vorstellen, daß Euch Polen gefallen wird. Was sind wir schon um die Welt geflogen, ohne zu wissen, was wir hier vor unserer Nase alles finden. Schön, daß Du mich begleitest.
      Liebe Grüße
      Uli

  5. Hallo Ulli,
    Das klingt ja alles ziemlich interessant. Ich wünsche Dir weiterhin gute Reise und vorallem gutes Wetter im Baltikum.
    Grüße Thomas

  6. Herzlichen Dank, liebe Frau Möhler, fürs virtuelle Mitnehmen!
    Ich lese Ihre kurzweiligen Reiseberichte immer mit großer Begeisterung.
    …und bekomme direkt Lust, auch einmal das Baltikum zu bereisen.
    Ihnen weiterhin eine tolle Zeit mit interessanten Begegnungen, wunderbaren Landschaften, befahrbaren Wegen, unkomplizierten Stellplatzsuchen, sicheren Übernachtungen … und viel Lebensfreude!
    Herzliche Grüße
    Ute Flade

    1. Liebe Frau Flade,
      ich freue mich über Ihre Reisebegleitung und daß Sie Freude am Lesen meines Blogs haben. Ich halte Sie weiter auf dem laufenden, was es im Baltikum zu entdecken gibt.
      Bis bald – Liebe Grüße, Ulrike Möhler

  7. Wow das sind gigantische Erlebnisse, die Du da einsammelst — das kann Dir keiner mehr nehmen und wird Dich ein Leben lang begleiten. Sehr spannend Deine Berichte zu lesen. Pass auf Dich auf und bis bald, Udo.

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